11 Aktenordner. Die ich notgedrungen durchblättern muss auf der Suche nach Belegen für die Verwaltung des Nachlasses.
Da finde ich E-Mail-Wechsel, schnappe kurze Passagen beim Überfliegen auf. In der einen geht es um die Anklage eines Produzenten, dem vorgeworfen wird, Herberts künstlerisches Schaffen zu sabotieren. Seit Jahren. Jahrzehnten. Ich spüre gewaltigen Hass aus den beteiligten Korrespondenzpartnern sprießen und klappe die Akte zu, angewidert und angeekelt.
Mir ist „der Fall“, um den es geht, bekannt. Doch habe ich eine vollkommen andere Meinung und Einstellung dazu. Denn ich kenne Herbert. Habe miterlebt, wie er eigene unbewältigte Traumata auf andere projiziert, sie beschuldigt, hasst, mit ihnen bricht, gebrochen hat.
Seine Krankheit offenbart das von ihm selbst Verdrängte, Abgespaltene. Manifestiert sich physisch. All meine unsagbar mühevollen Aufklärungsbestrebungen versickerten im Nirgendwo, er wurde schwerhörig wie sein Vater – und schließlich gewalttätig.
Ich hatte keine Angst vor ihm. Setzte mich während eines Abwehrbrüllwutanfalles auf sein Bett, stur und beharrlich. Dann flüchtete er.
Ein anderes Mal nahm er die Stehlampe und drohte, mich damit zu schlagen. Er war (noch) gehemmt, die Schwelle spürbar. Ein weiteres Mal hielt er seinen Spazierstock, ein Geschenk von mir, gegen mich gerichtet. Ich wollte es wissen und blieb, die Schwelle wurde von ihm überschritten, er schlug auf meine Hand, die den Türgriff zu seinem Zimmer hielt, um ihn am Schließen zu hindern, ihn zu konfrontieren mit der Wahrheit.
Während einer Autofahrt öffnete er die Tür, um vor meinen wahren Worten zu flüchten, wutentbrannt. Dass ich stehen blieb, ihn aussteigen ließ, um alleine weiterzufahren.
Dieser Mann, Mensch, wollte um keinen Preis sehen! Er tat alles, um sein Lügengebäude zu verteidigen! Und fand „Freunde“, Verbündete, Handlanger und Handlangerinnen. Aus alten Zeiten. Jene, die ihm bis dahin lästig gewesen waren, über die er mir gegenüber gelästert hatte.
Nun sollten sie ihm nützen. Für seine Lügenpläne und deren rücksichtslose Durchsetzung.
Herbert hat sich selbst sabotiert. Der Produzent war „nur“ ein Spiegel.
Was habe ich nicht alles gelesen und vernommen, sei es von Herbert oder seinem Komponistenfreund. Große Worte, von Hölderlin bis Buddha. Gelebt hat sie keiner von ihnen. Aber mit Nachdruck bestehen sie darauf, „ihre“ Werke zu verbreiten, Gehör zu finden, Anerkennung. Da können sie schreien, toben, lügen, taktieren bis zum Nimmerleinstag … wer sich selbst nicht hört, gehört sich nicht, ist unerhört – frech, gewalttätig, asozial, beziehungslos, kriminell, destruktiv, lebensfeindlich, teuflisch böse. Und da komme mir keiner mit Goethe, um den Faust zu feiern ob seiner niederträchtigen Genialität.
Es gibt nur eine wahre Kunst: Die Kunst zu lieben! Die ihr ganz offensichtlich nicht beherrscht.
Der ach so böse Produzent ein Gesandter Gottes, Fürst der Engel, dem Größenwahn durchgeknallter Möchtegerngötter sein blank poliertes Schwert präsentierend, dass sie sich selbst erkennen müssen.
Danke, Michael!