Bei einem meiner Besuche im letzten Lebensjahr von Herbert Henck fand ich auf der Fensterbank ein Buch:

Riewert Ehrich: Hans Ralfs. 1883–1945. Ein Künstler in der Anstalt. Freiburg/Br.: Edition Cameleo, 2023.

Vermutlich hatte der Autor es an Herberts Adresse ins Pflegeheim gesandt, unwissend, dass dieser lange nicht mehr in der Lage war, ein Buch in die Hand zu nehmen, geschweige denn darin zu lesen. Also schlug ich es auf, um Herbert daraus vorzulesen.

 

„Der Hass auf die Mutter muss tief sitzen und wirkt nachhaltig. In einem Gedicht dehnt er diesen – ähnlich wie Tucholsky in seinem Couplet »Die Leibesfrucht spricht« – auf alle Mütter und ihre Rolle als Gebärerinnen künftig unglücklicher Nachkommen aus:

 

»Den Müttern!

Wißt ihr, Gedankenlose, was ihr tut,

wenn, hochgesegnet, euer Leib sich wölbt,

in euch die Zukunft eures Kindes ruht?

 

Eu’r Tun und Treiben schändet auch die Frucht,

die ihr, der Lust nur und Begierde

gedenkend, tausendmale haßt, verflucht.

 

Und ihr wollt Liebe ernten, Glück genießen

in euren Kindern, nennt es ihre Pflichten?!

Der Haß in Euch läßt Haß aus ihnen sprießen!

Das denkt und klagt nicht, wenn sie hart euch richten.«

 

Aus autobiographischen Zeugnissen prominenter Zeitgenossen von Ralfs, selbst aus höherstehenden, bildungsbürgerlichen Elternhäusern, gibt es für sich sprechende Schilderungen ihrer Kindheitserlebnisse, welche ein recht homogenes Bild des Elternkonflikts der im Kaiserreich Heranwachsenden ergeben, in dem nur zu oft der biographische Schlüssel zu ihrer Rebellion liegt. […] Dabei sind die Enttäuschung und Ablehnung bezüglich der Mutter offenbar von noch größerer Bedeutung als gegenüber dem Vater.“ (S. 21-22)

 

Ich sah Herbert in seinem Bett liegen, verkrampft, mehr oder weniger regungslos und leeren Blickes zur Zimmerdecke starren, und dachte zurück an das letzte Jahrzehnt, in dem er sich zu einem regelrechten Monster entwickelt hatte, ohne innere Motivation, mehr oder weniger abgestumpft, depressiv mit tief dunkler Ausstrahlung gleich einer gepanzerten, hochexplosiven Bombe, die in jedem Moment zu explodieren drohte und dies in Abständen auch tat: gegen mich, die Frau und mütterliche Projektionsfigur, „Herrscherin über Haus und Heim“, den Tempel seiner Seele.

Während unserer frühen Kennenlernphase Anfang der 90er Jahre erzählte Herbert von dem elenden Sterben seiner Mutter an einer Krebserkrankung, wie die Familie die Schwere der Krankheit verdrängte, und dem grenzenlosen Mitleiden seiner damals jugendlichen Seele. Meinen Fragen bezüglich seiner bis heute offenbar ungelösten Schuldgefühle wich er aus, um die von ihm beklagte Verdrängungsstrategie seiner Herkunftsfamilie fortzuführen. Das sei ein unlösbares Problem, welches er mit ins Grab nehmen müsse.

Erste Ausbrüche seines vergrabenen Mutterhasses erlebte ich nach der Geburt unserer Tochter, die ein sogenanntes „Schreibaby“ war, eine Thematik, mit der ich mich in den darauf folgenden Jahren und Jahrzehnten intensiv befasste. Herbert schimpfte auf die Weiber, während ich meine unstillbar schreiende Tochter zu beruhigen versuchte, und mir war unmittelbar klar, dass seine geschundene Seele sich Luft verschaffte, um gegen den unerträglichen Jammer der eigenen Mutter aufzubegehren.

Herberts hohes Maß an Empathie war ihm zum Verhängnis geworden, unfähig, sich von ihren Gefühlen und Bedürfnissen abzugrenzen, für welche die Mutter keine eigene Verantwortung übernommen hatte, um ihren Sohn in Frieden ziehen zu lassen.

Herbert trauerte sein Leben lang. Um sich selbst. Während die Bilder seiner Mutter ihn besetzt und besessen hielten, gefangen in einer symbiotischen Verschmelzung, die das gesunde Heranreifen einer unabhängigen, wahrhaft individuellen Persönlichkeit verbot.

Seine Musik, sein musikalischer Ausdruck, sein gesamtes Schaffen erzählt die Geschichte eines Kampfes auf der Suche nach Heilung einer schwer missbrauchten Seele.

Jutta Riedel-Henck, 6. Oktober 2025

 

Herbert Henck im Pflegeheim

Herbert Henck im Pflegeheim am 16. Dezember 2024 (Foto: Jutta Riedel-Henck)

 


 

Vor einem Jahr, im Oktober 2024, erhielt ich eine E-Mail von einer (angeblich) ehemaligen Schülerin Herberts. Einmal hätte sie ihn getroffen. Sie stellte sich vor als überaus erfolgreiche Therapeutin, Behandlerin von kranken Musikern, hätte zudem eine schamanistische Ausbildung, und bat mich, Herbert ihre Mail vorzulesen. Doch im kurzen Lauf unserer Korrespondenz sprang aus dem anfänglich überaus bzw. übermäßig „freundlichen“ Kostüm ein teuflisches Wesen, das mir unterstellte, Herbert zerbrochen zu haben, da meine Energie zu stark und er dieser nicht gewachsen sei. Die Oceandrum, von deren Einsatz ich berichtete, wäre für Herbert eine Qual, sie selbst würde das verrückt machen … und es sei nur gut, dass ich jetzt allein wäre … und und und … die negative, destruktive, giftig mörderische Ausstrahlung dieser „Dame“ hatte es in sich … Dozentin an einer anerkannten Universität bzw. Hochschule in Österreich ...

Ich veröffentliche hier einen Zusammenschnitt meiner wehrhaften Austreibungsarbeit, zu der viele sanfte und gutmütige Seelen nicht in der Lage sind, weil sie beim weiblichen Geschlecht grundsätzlich an das Gute glauben … möge es helfen, sich zu wehren und übergriffige kranke Seelen rechtzeitig zu erkennen und in ihre Schranken zu weisen.

 

Liebe XY,

sei ehrlich, ich habe in dir etwas getroffen, was du nicht wahrhaben willst, in dir!

Deine Idealisierung von Herbert gleicht einer Besetzung, und es waren genau solche Besetzungen wie die deine, die Herbert vergiftet haben. Alles klar?

Ab jetzt werde ich weitere Mails von dir ungelesen löschen. Ich halte dich für schwer krank.

Du schreibst ständig etwas von Zurückgezogenheit, was dich angeht, aber bist es nicht. Ganz im Gegenteil: vernetzt mit allem möglichen, unfähig, dich wahrhaftig abzuschneiden und zu emanzipieren.

Meine Energie ist weder stark noch schwach, Energie ist Energie. Energie kann überhaupt niemand zerbrechen, ganz im Gegenteil! Energie ist Leben! Wie soll bitte schön jemand an Lebensenergie zerbrechen?????????

Zerbrechen können nur Mauern, Blockaden! Und das tun sie, damit die Energie fließen kann, dem Leben zuliebe!

Für wen hältst DU dich eigentlich? Für die Retterin aller armen Musiker? Jeder kann sich selbst retten, liebe XY! Jeder will frei sein! Unabhängig! Und zwar ganz besonders von seiner Mutter! DAS war, was Herbert in die Flucht getrieben hat! Ich ganz sicher nicht!

Ich bin all diesen Müttern (damit auch dir) ein Dorn im Auge, deshalb drehen sie es dann so, wie du jetzt, als ob ich Schuld daran sei.

Kümmer dich um dich selbst! Verdammt noch mal!

Stell dir vor, Herbert hatte keinen Bock mehr, immer dieser Engel zu sein, und ich habe ihn gelassen! Bei mir hat er sich getraut, die Sau rauszulassen. Aber nicht bei solchen Frauen wie dir und all den anderen. DIE haben ihn eingeschüchtert! Ich ganz sicher nicht.

Ich hab nichts gegen Teufel, und dein Gelabere von dem Satanismus und all dem Zeug finde ich nur albern.

Hast du den Faust von Goethe kapiert?

Engel ... Männer wollen keine Engel sein. Und ich auch nicht.

Ich kann damit umgehen. Du offenbar nicht.

Ein Grund mehr, sich aus dem Weg zu gehen.

Also tschau!

Jutta



 

Ach, und da du ja auch eine astrologische Spezialistin bist:

Mars = Energie

Pluto = Vorstellung, Form

Mars-Pluto = Energie in der Form eingeschlossen


XY, du weißt nix von mir und auch nix von Herbert, redest davon, er sei dein Lehrer ... einmal habt ihr euch getroffen in den 70ern ... und daran klammerst du dich jetzt? Wir haben das Jahr 2024.

Und übrigens hatte ich nach dem Vorlesen deiner E-Mail nicht den Eindruck, dass Herbert sich an dich erinnert hätte, er wirkte eher uninteressiert, unberührt. Wenn ich singe oder gar die Oceandrum bewege, reagiert er unmissverständlich und spürbar entspannt ... Aber wie willst du das wissen? Was du geschrieben hast, geht total an der Realität vorbei.

Du lebst in deiner Pluto-Blase, XY. Und wenn jemand sterben will, dann stirbt er, weil er das selbst so entscheidet, nicht du! Du hast da überhaupt nicht mitzureden. Bei niemand! Außer bei dir selbst.

Narzisstischer Größenwahn: deiner!

J.

 

 

So, XY, mit meinem bestens geschulten Immunsystem hast du jetzt Bekanntschaft gemacht. Das sollte eigentlich genügen.

Da ich ein gründlich arbeitender Mensch bin, folgt hier noch die Nachbearbeitung:

Deine Mail, von welcher ich dir zunächst zusagte, sie Herbert am Montag vorzulesen, werde ich für mich behalten. Denn zur Richtigstellung müsste ich ihm ja auch all deine Folgemails vorlesen, die deiner anfänglichen Einschleichlobeshymnenschwingung bezüglich meiner Person widerspricht wie die Hölle dem Himmel.

Damit werde ich Herbert gewiss nicht belasten!

Bezüglich deiner Oceandrumallergie muss ich wirklich schmunzeln. Du magst es wohl nicht, wenn Gedanken zerstreut werden? Weil du gerne fokussiert bist, um deine schwarzmagisch intendierten Gedanken gezielt abzuschießen wie einen Giftpfeil?! Verständlich, dass du diese Geräusche scheust wie der Teufel das Weihwasser.

Und Herberts Gedankenformen werden aus gutem Grund von mir gezielt aufgelöst! Damit solche Schwarzmagierinnen wie du sich nicht mit ihnen verbinden können, um sich in seine Seele einzunisten wie ein Vampir.

Anbei ein Artikel von mir zur Vertiefung.

Dein Ansinnen, Musiker dazu zu befähigen, ihre Karrieren weiterzuverfolgen, gleicht dem Ansinnen eines Teufels, der seine Sklaven für den Zweck behandelt, dass sie weiterhin für ihn arbeiten können. Du scheinst ja nach wie vor damit zu werben, d. h. dich von einem solchen Teufelsjob zu ernähren und in Zukunft auch ernähren zu wollen. Das ist ein Widerspruch per se.

Ich könnte dir noch weitere Widersprüche aufzeigen. Die musst du aber selbst finden. Zumal ich keine Lust auf weitere giftige Abwehrpfeile von dir habe.

Deine Schuldzuweisung, mich verantwortlich zu machen für Herberts Krankheit, ist eine dermaßen ungeheure Unverschämtheit und gleicht einem Mordanschlag auf mich, XY! Du bist nicht die erste, die das behauptet hat. Eine "prima" Masche, um mich aus dem Weg zu räumen, weil die Täterinnen gerne an meiner statt an Herberts Seite wären, nicht wahr?!

Frauen ... oder "Weiber", wie Herbert sagen würde ... Ich als Frau durchschaue das schneller als jeder Mann.

Und noch etwas: Ich lebe nicht alleine. Ich lebe in dem Haus, das Herbert und ich vor 34 Jahren gemeinsam bezogen haben. Herbert hat hier nach wie vor seine Zimmer, seine Anker. Sein Geist ist nie ausgezogen. Alles klar? Und hinzu kommen all die anderen geistigen Wesen, mit denen ich verbunden bin und zusammenwirke.

Frag doch mal den Markus Stockhausen, was es mit Luzifer auf sich hat. Und da du Veit Lindau erwähntest, solltest du doch mit seinen Ausführungen zum Teufel vertraut sein? Wenn nicht, hole das unbedingt nach! Um dich mit DEINEN Schatten zu befassen, BEVOR du dich an anderen Menschen vergehst unter dem Deckmantel, sie heilen zu wollen oder gar können (das kannst du nicht!!!).

Hiermit gebe ich dir deine hässlichen und mörderischen Projektionen allesamt zurück.

Und:

Schnitt!

Rundumschnitt! Radikal!

Das war's

Jutta

 


 

Was ist die Musikgeschichte anderes als eine dokumentierte Chronologie der Herstellung von Bomben? Im Grunde spielt es keine Rolle, ob sie Konfetti oder Schwarzpulver enthalten. Wer von all den Komponistinnen und Komponisten, Interpretinnen und Interpreten hat einen Waffenschein? Eine wahrhaft fundierte Ausbildung im Umgang mit verdrängten Emotionen? Jede und jeder pocht auf ihre und seine künstlerische Freiheit, verantwortungs- und rücksichtslos dem Leben gegenüber, den ihnen anvertrauten, sie umgebenden, mit ihnen verbundenen lebendigen Nächsten.

Herberts Ausbrüche habe ich mir nie gewünscht. Aber ich bin erfahren und weise genug zu wissen, dass eine explodierende Bombe am wenigsten Schaden anrichtet, wenn ihr kein Widerstand geleistet wird.

Die Arbeit als Bombenentschärferin ist unsagbar hart, nervenaufreibend, anstrengend. Ich kann mir keine Fehler leisten und niemals vorhersehen, wie die Entschärfung verläuft. Ich setze mein Leben, meine Existenz. Unentwegt. NIEMAND bezahlt mich dafür. Anerkennung meiner Arbeit? So gut wie keine. Was ich ernte, sind Schuldzuweisungen, und das äußert sich auch und gerade finanziell.

Ich für mich weiß, vor Gott, dass ich keine Schulden habe. Es ist umgekehrt: Mir wird so viel geschuldet, dass ich bei Begleichung der Schulden im Reichtum baden könnte.

Entschuldigungen lassen sich nicht erzwingen. Mit Zwangsvollstreckung drohen die wahrhaft Schuldigen.

Ob sie es wagen, mich aus meinem Haus zu tragen? Nach allem Erlebten und Erlittenen ist ihnen alles zuzutrauen.

Der Zorn Gottes wird sich Luft schaffen und durchsetzen. Ich habe nichts zu verlieren.